Norbert Lammert zu Gast in Heinsberg

Bundestagspräsident Lammert hält flammenden Appell für Demokratie und Europa

25.08.2017, 12:15 Uhr

Rund 250 Gäste erlebten in der bis auf den letzten Platz belegten Begegnungsstätte in Heinsberg einen zu Hochform anlaufenden Bundestagspräsidenten Norbert Lammert. Lammert war auf Einladung des CDU-Bundestagsabgeordneten für den Kreis Heinsberg, Wilfried Oellers, nach Heinsberg gekommen, und besuchte zunächst eine Einrichtung der Lebenshilfe, das Café Samocca.
 

Zu dieser Zeit füllte sich die Stadthalle schon mit interessierten Zuhörern, die den Ehrengast bei seiner Ankunft in der Begegnungsstätte erwartungsfroh und mit Ovationen begrüßten. 
 
Nach einer kurzen Ansprache durch den Parlamentarier Oellers, der Lammert als „überzeugten Europäer und überzeugten Demokraten mit extrem ausgeprägter Sympathie für den Minderheitenschutz“ beschrieb, begrüßte der Bürgermeister der Stadt Heinsberg, Wolfgang Dieder, den Bochumer CDU-Abgeordneten Lammert, der sich bei der kommenden Bundestagswahl leider nicht mehr zur Wiederwahl stellt. Nach einer Eintragung ins goldene Buch der Stadt übernahm Lammert das Mikrofon, und entfaltete in freier Rede seine Vorstellungen von Demokratie, Europa und der Rolle Deutschlands im internationalen Gefüge. Mit einem Ritt durch die historischen Wegmarken Europas und mit der provokanten Frage, ob Europa als natürlicher Maßstab für die Welt gelten kann, schlug er die Zuhörer in seinen Bann.
 
„Wir sind in einem neuen Zeitalter angelangt. Globalisierung, Fortschritt und Digitalisierung macht die Kenntnis von Dingen nachvollziehbar, und die Welt in einem gewissen Maße kleiner“, erklärte Norbert Lammert der aufmerksam lauschenden Zuhörerschaft. Lammert führte weiter aus, dass das Internet und die neuen Medien selbst im hintersten Winkel der Erde erreichbar und angekommen sind, und die Menschen durch digitale Vernetzung immer enger zusammenrücken. Die räumliche Distanz freilich sei dabei riesengroß.
 
In seiner Rede machte Lammert deutlich, dass die Welt immer komplexer und auch ein Stück weit komplizierter werde. Die einzig vernünftige und intelligente Antwort auf diese Probleme sei Europa. Aber Europa müsse hierfür zusammenstehen. Das setze voraus, dass die Völker der Europäischen Union miteinander in engem Austausch blieben, ohne dabei die staatliche Integrität und ihre Souveränität einzubüßen, so wie die Pariser Verträge es in den 1990er Jahren vorgesehen hätten. Dieses Zusammenleben werde momentan auf eine harte Probe gestellt, denn im Horizont nationaler Interessen ließen politisch extreme Geschehnisse, wie beispielsweise der Brexit, das Schiff Europa bisweilen ein wenig schlingern. Der Brexit sei ein Paradebeispiel dafür, welch verheerende Folgen eine niedrige Wahlbeteiligung und Politikverdrossenheit für die Jugend und die jungen Leute eines Landes haben kann. „Beim Brexit haben nur 40 Prozent der 18 bis 30-jährigen gewählt. Die Austrittsentscheidung haben nur ältere Menschen gefällt. Allerdings demonstrieren nun Dreiviertel der gleichen Altersgruppe gegen den Brexit und für den Wiedereintritt in die EU. Jetzt, wo es zu spät ist.“
 
Der Brexit sei der Versuch einer Rückkehr zum Nationalstaat. „Doch“, so Lammert weiter „die Abhängigkeit und Vernetzung durch Digitalisierung und Globalisierung, durch weltweit vielfältige Handelsbeziehungen etwa, macht die Rückkehr zum Nationalstaat unmöglich.“
 
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Oellers äußerte, dass er „und manche anderen es lieber gesehen hätten“, wenn Lammert, der nicht wieder zur Wahl antreten wird, auch in der nächsten Wahlperiode Bundestagspräsident wäre. Lammert überzeugte in dieser bemerkenswerten Rede mit Sachlichkeit, Belesenheit und der Fähigkeit, Menschen an seiner Analyse teilhaben zu lassen.
 
Die Demokratie sei, so Lammert zum Schluss seiner Rede, fragil, und Demokratien könnten auch scheitern. Man müsse für dieses hohe Gut, das einem oftmals allzu selbstverständlich erscheine, kämpfen. Liebgewonnene Europäische Errungenschaften müssen fortgeführt, bewahrt und beschützt werden. „Sie können etwas für die Demokratie und Stabilität in Europa tun. Gehen Sie am 24. September wählen!“